In Brasilien kursiert seit kurzem der Trend, Dehnungsstreifen einfach überstechen zu lassen. Ein Tätowierer hatte die Idee, die Streifen mit hautfarbenen Pigmenten zu verdecken und hat seine Umsetzung auf Instagram geteilt. Wir haben bei Tattoo Artist Dora Bansagi nachgefragt, ob das wirklich so eine gute Idee ist.
Tattoo Artist aus Wien: Dora Bansagi ist eine junge Tattoo Künstlerin, die ursprünglich aus Hallein in Salzburg stammt und nach Wien gekommen ist. Neben ihrem Studium an der Angewandten Wien, hat sie im Wiener Wild Art Factory Studio einen fixen Platz in der heimischen Tattoo Szene gefunden. Um ihren einzigartigen Stil weiter auszubauen, studiert sie dieses Sommersemester an der IADE - Creative University in Lissabon und wird ebenfalls vor Ort als Gasttätowierer tätig sein.
Hast Du selbst Tattoos?
Nein, ich bin noch immer untätowiert.
Das ist ja ziemlich ungewöhnlich für einen Tattoo Artist, oder?
Ja, das ist sehr ungewöhnlich! Die Leute sind sehr überrascht, ich sag ja immer, sie sind sogar dreimal geschockt! Erstens, weil ich keine Tattoos habe. Das zweite Mal sind sie geschockt, weil ich ein Mädchen bin und so gut tätowiere. Der dritte Schockmoment kommt, wenn sie die Qualität von meiner Arbeit gesehen haben. Auch in der Tattoo Szene kann es leicht passieren, in eine Schublade gesteckt zu werden. Heutzutage gibt es allerdings auch sehr viele Leute, die sehr offen sind!
Was rätst Du Deinen Kunden, wenn sie Dehnungsnarben durch ein Tattoo verdecken wollen?
Es hängt immer davon ab, wie tief diese Dehnungsstreifen sind und wie die Wundheilung der Person generell ist. Ich sehe so viele Körper und da merke ich erst in der Relation, wie viele Menschen wirklich davon betroffen sind. Obwohl dieses Narbengewebe von der Gesellschaft nicht anerkannt ist und auf den Models aus der Unterwäschewerbung nicht zu sehen ist, ist das Thema viel existenter als man vielleicht glaubt. Ich kann mir sogar gut vorstellen, dass es mehr Menschen mit Dehnungsstreifen gibt, als Leute ohne.
Vor kurzem kam ein Mädel zu uns ins Studio, welche extrem starke Dehnungsstreifen auf der Schulter hatte. Ich habe diese mit einem realistischen Farbtattoo im Motiv einer Rose verdeckt und die Dehnungsnarben sind dadurch komplett verschwunden. Sie war so glücklich über das Ergebnis.
Was hältst Du von dem Trend, Hautfarbe über die Dehnungsstreifen zu tätowieren?
Ich würde Dehnungsstreifen überstechen nicht als Trend, sondern eher als Lösung für ein Problem sehen. Das hat nichts mit einem Trend zu tun, das ist eher damit man sich besser fühlt. Ich würde das Thema eher unter der Kategorie Narben covern einordnen.
Ich habe auch letztens im Internet einen Tätowierer gesehen, der die Streifen mit Hautfarbe verdeckt. Künstler würde ich ihn nicht nennen. Die Sache ist die, die Farbe der Tätowierung verändert sich mit der Zeit. Sie verändert sich wenn die Sonne drauf scheint, sie verändert sich, wenn die Haut altert. Frisch schaut das Tattoo immer heller aus, als wenn es verheilt ist. Du kannst nie hundertprozentig sagen, wie die Farbe in fünf Jahren aussehen wird. Weil das erstens von der Wundheilung deiner Haut und ganz vielen anderen Faktoren, wie eben der Sonne abhängig ist. Deswegen kann das, meiner Meinung nach, zu echt großen, optischen Katastrophen führen. Wenn man diese Dehnungsstreifen mit einer Farbe tätowiert und dann ein paar Jahre wartet, schaut man vielleicht aus wie ein Zebra. Ich würde lieber auf Nummer sicher gehen und ein Motiv wählen, um diese Stellen zu verdecken.
Wie kam es zu der realistischen Rose, die Du dem Mädchen gestochen hast?
Jeder Fall ist recht unterschiedlich, aber in diesem Fall war es ganz klar. Sie liebt Rosen und wollte unbedingt eine Rose gestochen bekommen. Das Motiv hat sich auch perfekt geeignet um abzudecken und wir haben das dann so platziert, dass es der Körperform angepasst ist, als auch die Dehnungsnarben verdeckt.
Die beste Art Narben zu verdecken, sind realistische Farbtattoos. Man kann es auch mit Grey Wash* verdecken, das funktioniert auch. Das Motiv lenkt eigentlich schon so weit ab und es hängt eben auch davon ab, wie tief die Narben gehen.
*„Grey Wash ist eine Methode, bei der das Tattoo nur mit immer weiter verdünnter schwarzer Farbe schattiert wird."
Es ist situationsabhängig, was bei Narben das Risiko ist, denn man kann nie hundertprozentig sagen, wie die Pigmente im Narbengewebe aufgenommen werden oder sich mit der Zeit verändern. In den meisten Fällen, hält es ganz gut. Bei tiefen Narben kann es sein, dass es ein bisschen verschwimmt, oder Linien nicht mehr so bleiben, wie sie ursprünglich in die Haut tätowiert wurden.
Was würdest Du jemandem raten, der seine Dehnungsstreifen verdecken will?
Man sollte schon einmal eine ungefähre Richtung wissen, was man vom Motiv her machen lassen möchte, aber das haben die Meisten schon. Ob das Blumen sind, nur der Stil schon bestimmt ist, oder man ein realistisches Tattoo will, Ich würde jedenfalls zu deckenden Farbtattoos raten, das ist die beste Möglichkeit, die Streifen zu covern. Von Motiven mit Linien, wie Mandalas, würde ich eher abraten – es funktioniert auch, aber wenn viel Haut durch das Motiv durchscheint, sind die Narben bei genauem Hinsehen weiterhin erkenntlich.
Wie sehen die aktuellen Tattoo Trends in Wien aus?
Tattoo Trend sind definitiv immer noch die Mandala Dotwork Motive. Das sind einfach Mandalas, die von der indischen Henna Malerei abstammen - das ist gerade sehr gefragt. Auch Streifen um den Arm werden sehr häufig verlangt.
Welche Tattoos stichst Du Deinen Kunden am liebsten?
Ich tätowiere total gerne Portraits! Surreale Portraits mit Farbe, Schatten, Kontrast und ich liebe es auch, realistische Motive mit Dotwork zu mischen. Denn realistische Tattoos mache ich auch extrem gerne. Beim Tribute to David Bowie Tattoo, hatte ich die Möglichkeit, ein realistisches Porträt mit grafischen Details und Dotwork zu mischen.
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch, wir wissen jetzt jedenfalls wie wir unsere Dehnungsstreifen veredeln lassen können und dass sich der Trend aus Brasilien in Europa wohl kaum durchsetzten wird.
Jetzt bleibt eigentlich nur noch zu sagen, dass wir zu unseren Dehnungsstreifen stehen sollten, da wir ganz bestimmt nicht allein damit sind!
(Fotos im Header: Instagram/doraarts)